Wenn Svenja Mayer von ihrer Vergangenheit erzählt, spricht sie von einem anderen Leben: Als Friseurin, leidenschaftliche Reiterin und, wie sie sagt, als gefühlt Schlechteste der ganzen Schule in Sachen Ballsport.
Photograph: Jez Timms
Es lag immer noch etwas Schnee. Ich fuhr mit dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause. Als ich die Straße überquerte, übersah mich ein Lastwagen.
Mit dem Führerhaus holte er mich vom Rad, mit dem Auflieger fuhr er über meine Hüfte.
18 Stunden lang wird sie anschließend operiert, eigenständig wird sie danach nie mehr laufen können.
„Nach dem Unfall wollte ich einfach wieder auf meinem Pferd Uno reiten können. Ich wollte wieder für ihn da sein“, sagt Mayer. Sie wusste, dass ein harter Weg vor ihr lag. In der Physiotherapie trainierte sie so, dass sie ihre Beine weit genug auseinander bewegen konnte, um auf dem Sattel zu sitzen.
„Es war pures Glück für mich - ein paar Tränen flossen“
Ein Jahr später saß Mayer zum ersten Mal seit dem Unfall wieder auf ihrem Pferd. Die Leichtigkeit, mit der sie zum Reiten zurückkehrte, war so groß, dass ihre Ambitionen, an Turnieren teilzunehmen, wieder entfacht wurden. Sie ließ sich einen teuren Sattel nach Maß anfertigen, um keinen Sturz zu riskieren.
Alles hätte perfekt sein können.
Aber an Svenjas Sitzbein bildete sich ein Abszess, der durch das Reiten verursacht wurde. Aufgrund ihrer Lähmung ist der betroffene Teil ihres Körpers fast taub, und sie bemerkte die offene Wunde erst, als sie sich umzog. Wieder musste sie ins Krankenhaus, wieder wurde sie operiert.
Der Vorfall machte Mayer klar: Das Reiten lässt sich nicht mit ihrer Gesundheit vereinbaren.
Es ging einfach nicht, weil die Schmerzen jedes Mal extrem waren.
Mayer erinnert sich an ihre ersten Begegnungen mit dem Rollstuhlbasketball in der Reha. Es war in der Physiotherapie, in der ihr zum ersten Mal der Rollstuhlbasketball begegnete. Doch zunächst ist ihr die Sportart zu schnell, die harten Stuhlkontakte zu viel für sie. Doch Svenja Mayer war zu ehrgeizig, um ganz mit dem Sport aufzuhören. Also suchte sie nach einer Alternative und erinnerte sich an den Rollstuhlbasketball aus Rehazeiten. Früh entdeckte sie unverhofftes Talent und fing an, täglich sechs Stunden dafür zu trainieren: Kraft-, Individual- und Teamtraining.
„Es ist wie eine Sucht für mich. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen Tag lang nicht trainiere“, gibt die 29-Jährige zu.
Noch im selben Jahr wird sie in den Landeskader von Bayern berufen, wo sie ihre Freundin Laura Fürst, Nationalspielerin, und Johanna Welin kennenlernte: „Laura hat mir gezeigt, dass man auch mit Rollstuhl seine Ziele erreichen kann.“ Sie motivierte Svenja, es in die Nationalmannschaft zu schaffen.
Mayer stieg immer weiter auf, begann in der zweiten Bundesliga Rollstuhlbasketball zu spielen. Und schon ein Jahr später in der Ersten.
SVENJA MAYER
Team Deutschland Selection: Tokyo 2021
Rollstuhlbasketball | Position: Abwehr
World Championships 2018: 3. Platz
European Championship 2019: 3. Platz
„Für mich war es die Bestätigung, dass ich alles richtig gemacht habe - dass es die richtige Entscheidung war, das Reiten aufzugeben und mit dem Rollstuhlbasketball zu beginnen.”
Sie vermisst ihr altes Leben vor dem Unfall nicht: „Natürlich gab es gute Zeiten. Aber was ich jetzt mit der Nationalmannschaft erlebe, wäre als Friseurin niemals möglich gewesen“, sagt die 29-jährige. „Und ich hätte niemals die großartigen Menschen getroffen, die ich durch meinen Unfall getroffen habe."
Einer dieser Menschen ist ihr Lebensgefährte André Hopp. Sie lernte ihn bei einem Pokalspiel kennen, als er in der gegnerischen Mannschaft spielte. Zwischen den beiden funkte es, und Hopp wollte Mayer ein paar Tricks beibringen. Die beiden verbrachten viel Zeit in der Halle zu zweit - und verliebten sich ineinander.
Mayers Ziel - die Paralympics
Der große Traum war es, im August 2020 zu den Paralympics nach Tokio zu fliegen. Mayer hatte bereits im Januar das erste von zwei Selection Camps abgeschlossen und wurde für den 16er-Kader ausgewählt. Sie trainierte hart für die Nominierung für den 12er-Kader im April, zweimal am Tag, sechs Tage die Woche.
Im Camp gab Moritz Anderten, der Sportpsychologe des Teams, ihr wertvolle Tipps, wie sie nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental für Tokio wachsen konnte:
„Für einen Leistungssportler ist es einfach immens wichtig, mental gut drauf zu sein,“ erklärt Mayer.
Aber wie wir alle wissen, trat die Pandemie ein bevor das zweite Selection Camp beginnen konnte. Alle Veranstaltungen, einschließlich der Paralympics, wurden abgesagt.
„Es war ein Schock für alle - die Identifikation der Sportler mit ihrem Sport wurde jäh unterbrochen. Eine gewisse Leere und Perspektivlosigkeit waren und sind nicht zu übersehen, und was bleibt ist die Unsicherheit, wann und in welcher Form der Sport überhaupt wieder Fahrt aufnehmen kann“, sagt Moritz Anderten.
Er weiß, dass der Weg zu den neu geplanten Paralympics 2021 und das Engagement und die Motivation für die Fortsetzung des Trainings aufrechtzuerhalten eine Herausforderung für die Athleten darstellt, aber es gibt einen Lichtblick:
„Die paralympische Idee wird 2021 eine tiefere Bedeutung haben. Teil der 21. Spiele zu sein, sich wiederzusehen und mit Wertschätzung, Anerkennung, Fairplay und Menschlichkeit gegeneinander anzutreten - das kann etwas ganz Besonderes und Einzigartiges in der Sportlerkarriere sein.”
Für Svenja Mayer bedeutet dies, dass sie dieses Jahr erneut versuchen wird, ihren Traum von den Paralympics zu verwirklichen - für die 29-jährige gibt es kein Aufgeben. Ihre Mutter zweifelt nie an ihrer Tochter: „Für Svenja würde ein Traum wahr werden, sie hat viel geopfert und aufgegeben. Ich bin stolz darauf, wie meine Tochter sich nach ihrem Unfall wieder zurück ins Leben gekämpft hat. Wir als Familie unterstützen sie und sind immer für sie da.“
Text originally written by Jana Rudolf, Photograph: uliphoto.de
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